Kommunalwahlprogramm 2021

Kommunalwahlprogramm 2021 – Junge Liberale

Wirtschaft, Finanzen, Verkehr

Die seit 2013 erhobene Zweitwohnungssteuer in Höhe von 10% der Nettokaltmiete belastet hauptsächlich die finanziell schwachen Studenten, daher setzen wir uns für die Abschaffung der Zweitwohnungssteuer ein.

Die Vergabe der Weihnachtsmarktstände an die immer gleichen Betreiber widerspricht dem Marktgedanken und dem gerechten Wettbewerb gleichermaßen. So können Monopolstellungen effizient verhindert werden. Bereits vorhandene Stände haben sich in den letzten Jahren in einer so dominanten Art und Weise etabliert, dass es für Start-Ups und neue Stände kaum möglich ist, ihr Angebot dort in Konkurrenz verbreiten und verkaufen zu können. Wir fordern daher eine transparente und faire Gestaltung der Standvergabe des Gießener Weihnachtsmarktes. Ziel dieser muss sein auch kleinen Startups die Möglichkeit zur Erlangung einer Standlizenz zu ermöglichen, sodass nicht nur die alteingesessenen Unternehmen eine Chance haben. Denkbar wäre auch eine Aufteilung des Weihnachtsmarktbereichs in mehrere Teile, welche einzeln sollen verpachtet werden. Der Pächter vergibt dann die Lizenzen für die Plätze seines Bereichs.

Im kulturellen Bereich wünschen wir uns eine breite Pluralität der kulturellen Angebote. Diese sollen sich im Wettbewerb der besten Ideen präsentieren. Als Liberale erkennen wir, dass gerade im kulturellen Bereich Wettbewerb fruchtet, und der Verkrustung vorhandener Strukturen entgegenwirkt. Künftige Kulturförderung gehört daher grundsätzlich geprüft. Die Entscheidungsrichtlinien müssen klar, transparent und für jeden nachvollziehbar sein. Die getätigten Fördersummen und Investitionen müssen für jeden öffentlich einsehbar sein.

Der Verkehr in der Stadt und insbesondere die Ampelschaltungen müssen optimiert werden, dies sollte mithilfe von Sensoren, Algorithmen geschehen. Hierzu kann künstliche Intelligenz verwendet werden, die selbstständig mit der Zeit dazu lernt, was den CO₂ und NOxAusstoß senken würde und einen besseren Verkehrsfluss ermöglicht. Durch das Anfahren an der Ampel, werden deutlich mehr Schadstoffe ausgestoßen, als durch beständiges Fahren auf der „grünen Welle“, durch eine sinnvoll getaktete Ampelschaltung. Durch den besseren Verkehrsfluss können auch etwaige Diesel-Fahrverbote verhindert werden, welche wir vehement ablehnen.

Die Verkehrssituation in Gießen ist zu komplex, um pauschale Lösungen anzuwenden. Vielmehr brauchen wir eine Verkehrspolitik, welche die Interessen aller Verkehrsteilnehmer wahrnimmt und auslotet. Von der ideologisierten Verkehrspolitik des rot-grünen Magistrats zu Ungunsten mancher Verkehrsteilnehmer distanzieren wir uns deutlich. Bereits von vielen Bürgern unserer Stadt wird das Fahrrad als Verkehrsmittel zum Überwinden kurzer Strecken genutzt. Fahrradwege sollen daher sinnvoll in den Verkehrsfluss integriert werden, ohne, dass einzelne Verkehrsteilnehmer gegeneinander ausgespielt werden.

Verkehrsexperimente müssen für die Bürger transparenter gestaltet werden. Am Neustädtertor ist versuchsweise die Verkehrsführung geändert worden, sodass Autos nur noch Stadtauswärts fahren können. Welches Ziel, mit welcher Begründung hier verfolgt wird, geht nicht eindeutig hervor. Außerdem liegen keine Zwischenergebnisse über den Erfolg des Experiments vor.

In den vergangenen Jahren wurden mehrere Maßnahmen ergriffen, welche die Situation für Autofahrer in Gießen stetig verschlechtert haben. Diese sind beispielsweise Einbahnstraßen in der Innenstadt oder die Verknappung von Parkraum innerhalb der Stadt und die Verringerung von Fahrspuren. Wir sprechen uns daher gegen eine Marginalisierung des motorisierten Individualverkehrs in der Innenstadt aus, da auch dieser in unserer Wahrnehmung seine Daseinsberechtigung hat.

Die immer wiederkehrenden Forderungen nach Abschaffung von Parkplätzen an der Gießener Universität widerstreben uns. Zahlreiche Studenten sind auf die Mobilität durch den Individualverkehr angewiesen. Der derzeitige Zustand des ÖPNV erlaubt es vielen Studis (z.B. wohnhaft in angrenzenden Gemeinden) nicht angemessen an- und abzureisen. Diese Forderungen sind daher unreflektiert und setzen sich über die Lebensrealität vieler Studenten hinweg. Die Erreichbarkeit des Bildungsortes spielt für die individuellen Entscheidungen eines Menschen eine Rolle. Eine schlechte Parkplatzsituation macht den Studienstandort Gießen dadurch unattraktiver. Mobilität ist daher auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.

Wir fordern eine Harmonisierung der Fahrpläne, wodurch Busse so getaktet werden sollen, dass den Fahrgästen bspw. am Bahnhof, nach Ankunft des Zuges in Gießen, zeitnah, zu jeder Uhrzeit, einen Bus erreichen können. Darüber hinaus sollen sich die Abfahrtszeiten der Bus Linie 10 an den Universitäts-/ Schulzeiten orientieren.

Zur Schaffung von Wohnraum und Gewerbeflächen muss mehr Bauland freigegeben werden. Wo dieses schlichtweg fehlt, fordern wir eine Änderung der jeweiligen Baupläne. Sofern es die Art der umliegenden Gewerbe es zulässt, können aus reinen Gewerbegebiete sog. Mischgebiete werden, in denen gebaut und gewohnt werden kann. Zusätzlich dazu setzen wir uns dafür ein, dass durch eine verbesserte infrastrukturelle Anbindung angrenzender Stadtteile und Kommunen eine ernsthafte Alternative zum Wohnen im Stadtzentrum geschaffen wird.

Recht & Justiz

Der Konsum von Cannabis ist längst in unserer Gesellschaft angekommen. Dadurch erweist sich die Stigmatisierung von Konsumenten als nicht mehr zeitgemäß. Darüber hinaus ist durch die Ignoranz der Politik ein blühender Schwarzmarkt entstanden und selbstverständlich fragt der Dealer weder nach dem Personalausweis, noch sind die dort gehandelten Cannabisprodukte immer rein. Daher fordern wir die lizenzierte Freigabe von Cannabisprodukten. Die Stadt Gießen sollte eine Vorreiterrolle einnehmen und mit einem Pilotprojekt die Vorurteile vieler Bürger beseitigen.

Wir sehen in dem freiwilligen Polizeidienst der Stadt Gießen nicht nur eine Geldverschwendung, sondern auch eine Gefahr durch ein unbegründetes Sicherheitsgefühl. Der sogenannte freiwillige Polizeidienst besteht aus Rentnern und Eurojobbern, die nach einem “Wochenendkurs” ein Bollwerk gegen das Verbrechen bilden sollen. Diese Personen erhalten einen Stundenlohn von 7€!

Wir sprechen uns vehement gegen eine Installation von Überwachungskameras in Problemzonen innerhalb Gießens aus. Als alternative Maßnahme zur Installation von Überwachungskameras in Risikogebieten wie beispielsweise Unterführungen, schlagen wir vor, diese Bereiche bewusst präventiv auszuleuchten und musikalisch zu beschallen. Im Zusammenhang mit der Verwendung von klassischer Musik an Plätzen, welche eine kriminelle Gefährdung darstellen können, konnte in anderen Städten durch den Einsatz präventiver Maßnahmen ein signifikanter Rückgang der Kriminalität verzeichnet werden.

Umwelt & Energie

Im Rahmen der Mobilitätsförderung in den Städten sollen die Anzahl der E-Ladestationen innerhalb der Stadt erhöht werden. Als eine der Maßnahmen soll ein Ausbau reiner Parkplätze für Elektroautos vermieden werden. Wir fordern, dass es keine reinen Elektroparkplätze ohne Ladestation geben solle. Diese werden bevorzugt von Besitzern eines Elektrofahrzeugs frequentiert, sorgen jedoch bei Bürgern nicht dafür, dass eine vermehrte Anschaffung von E-Autos eintritt.

Eine weitere Maßnahme ist es, dass primär darauf geachtet werden soll, keine sinnlose Verknappung von Parkflächen zu erzeugen, wie es derzeit in der Johannesstraße der Fall ist. Anstatt die Parkplätze ersatzlos zu entfernen, sollte forciert werden, E-Ladestationen nur dort zu platzieren, wo ein solcher Parkplatz wegfallen würde. Diese Investition ist nicht nur im Sinne der Umwelt, sondern ebenfalls zum Vorteil der Bürger und damit ein Vorteil des Einzelhandels. Bürgerinnen und Bürger hätten somit die Möglichkeit, während des Stadtbesuches ihr Auto aufzuladen. Eine reine Reduzierung der in Gießen dringend benötigten Parkplatzfläche führt dazu, dass man auf der Suche nach einem Parkplatz unnötig hin und her fährt, um einen freien Platz zu suchen. Die Tatsache, dass Bürger weiterhin mit dem Auto in die Stadt fahren, kann durch die Verknappung von Parkplätzen nicht verhindert werden.

Soziales

Wir fordern, dass den Schülerinnen und Schülern der Zugang zu fachgerechten Schulgebäuden zur Verfügung steht und somit die Benutzung von Containern zum Schulunterricht obsolet wird. Zu diesem Zweck kann beispielsweise der Digitalpakt Schule des Landes Hessen genutzt werden. Dieser Digitalpakt fördert die Schulen und ihre Schülerinnen und Schülern in einer unterstützenden und sichernden Weise. Ebenso sollen Bundes- und Landesmittel effektiver und aktiver genutzt werden, um die bereits bestehenden Schulgebäude in einer Art und Weise zu sanieren, dass dort der fachgerechte Unterricht geleistet werden kann, auf welchen die Schülerinnen und Schüler laut Kultusministerium Anspruch haben. Ein weiteres infrastrukturelles Thema beinhaltet die Verbesserung der sanitären Anlagen in den bisher bestehenden Schulen und eine Fokussierung auf bereits gut ausgerüstete Sanitäranlagen in neu gebauten Schulgebäuden. Die sanitären Anlagen kann in den bisher bestehenden Containern nicht immer vollends gesichert werden.

Ein weiterer infrastruktureller Aspekt beinhaltet ebenfalls die bessere digitale Ausstattung an den Schulen des Kreises Gießen sowie der Universitätsstadt Gießen an sich. Digitales Lernen ist in der modernen Zeit unverzichtbar und beispielsweise die Corona-Krise zeigt auf, wie wichtig die Digitalisierung und die digitale Förderung von Schulen sein kann.

Neben den Instrumenten der Bürgerbeteiligung für Erwachsene muss auch Jugendlichen ermöglicht werden, Einfluss zu nehmen und ihre Belange in die Kommunalpolitik einbringen zu können. Aus diesem Grund könnte angedacht werden, ein Jugendparlament nach dem Vorbild Wiesbadens, für Minderjährige im Alter von 14 – 21 Jahren, einzuführen. Diese sollen die Möglichkeit bekommen ein eigenes Parlament zu wählen, welches dann als Repräsentant der Jugendlichen ihrer Kommune anzusehen ist.
Bürgerbeteiligung erfordert Transparenz. Nur wenn sich die Bürger ausreichend und einfach informieren können, können sie vernünftige Entscheidungen treffen. Deshalb ist unverzüglich ein Online-Livestream der Stadtverordnetensitzungen der Stadt Gießen, sowie in allen anderen Kommunen des Landkreises einzuführen. Dieser ermöglicht es jedermann einfach und unkompliziert die aktuellen kommunalpolitischen Debatten zu verfolgen.

Digitale Verwaltung
Unsere Zeit ist kostbar und die Öffnungszeiten der kommunalen Verwaltung entsprechen nicht der Lebensrealität vieler Menschen. Wir brauchen eine digitale Verwaltung um unnötige Behördengänge obsolet zu machen. Banken und andere Unternehmen machen uns vor wie eine Datenübertragung unter den höchsten höchsten Ansprüchen an Datenschutz und Datensicherheit zu gewährleisten sind. Auf diese langjährig aproten Systeme kann zurückgegriffen werden, sodass gar kein Bedarf an einer eigenen staatlichen Lösung besteht. Für alle Behördengänge soll die Option einer digitalen Bearbeitung über ein zentrales Portal angeboten werden. Die Prozesse in der Verwaltung sollen vollständig digitalisiert und verschlankt werden um Bearbeitungszeit drastisch zu reduzieren und die freiwerdenden Ressourcen effizienter einzusetzen. Beantragte Personalausweise und sonstige Dokumente sollen nicht länger persönlich abgeholt werden müssen sondern auch per Einschreibenrückschein oder Fahrradkurier versendet werden. Wir fordern endlich eine Verwaltung, welche auch online Anliegen von Bürgern bearbeiten kann. Außerdem sollte jede Kommune einen Systemadministratoren oder IT-Dienstleister haben, um technische Probleme lösen zu können, denn die digitale Verwaltung scheitert oft am mangelnden technischen Verständnis der kommunalen Angestellten.
Die ausufernde Bürokratie ist ein Ärgernis für Wirtschaft und Bürger. Viele Unternehmen klagen zunehmend lauter über das bürokratische Dickicht. Dem werden wir entgegentreten und wollen die Stellen der Gewerbesteuerprüfer/innen zu Anti-Bürokratiebeauftragten für die Stadt Gießen umwandeln. Die rot-grüne Koalition war der Meinung, dass steuerzahlende Unternehmen noch nicht genug Steuerbürokratie zu bewältigen haben und hat zwei Gewerbesteuerprüfer/innen eingestellt. Zuständig für die Kontrolle der richtigen Steuerzahlung ist das Finanzamt, nun sitzt manchmal noch ein städtischer Angestellter zusätzlich dabei. Die meisten Unternehmen verstehen das als das was es ist: Ein Misstrauenssignal an die Wirtschaft und die Erzeugung unnötiger Bürokratie. Wir wollen, dass die Stadt zunächst selbst ihre eigenen Prozesse prüft und Verschwendung öffentlicher Mittel vermeidet. Daher sollen die Gewerbesteuerprüfer/innen als Anti-Bürokratiebeauftragte das Rechnungsprüfungsamt verstärken. Dieses Amt untersucht die internen Vorgänge in der Stadtverwaltung und ist eigentlich das einzige Amt in dem Oberbürgermeister/in und Koalition gezielt und nachhaltig Stellen abgebaut haben. Ziel dieser Anti-Bürokratie-Offensive ist die Vereinfachung der Interaktionen zwischen Unternehmen und Stadt sowie zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Stadt. Zum Aufgabenfeld sollen zudem die Abschaffung nicht benötigter Vorschriften, die Nutzung der Digitalisierung zur Verschlankung und Automatisierung von Prozessen sowie eine bessere Verständlichkeit unbedingt erforderlicher Formulare gehören. Alle kommunalen Regelungen sollen auf ihre Wirksamkeit und Notwendigkeit überprüft werden.